Der Stimme Klang geben.
Jeder Mensch hat eine individuelle Stimme, die er mit Hilfe des Gefühls für seinen Körper und seine Atmung zur vollen Blüte entfalten kann. Singen ist eine unserer unverwechselbarsten Ausdrucksformen und nahezu für jeden Menschen erlernbar – die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Singstimme ist schon für viele eine sinnstiftende und bereichernde Beschäftigung geworden. Über das Singen kann sich der Mensch zu einer ausdrucksstarken und authentischen Persönlichkeit entwickeln und ganz neue Seiten in sich entdecken. Er holt Vorgänge ins Bewußtsein, die vorher verborgen lagen und lernt diese mit großer Variabilität einzusetzen.
Ob jemand eine klassische Gesangsausbildung vor Augen hat oder sich doch lieber in der Pop- oder Musicalliteratur verwirklichen möchte, die Basisausbildung einer Stimme ist für alle Musikgenres in ihren Grundzügen ähnlich.
Singen heißt vor allem richtig zu atmen. Dem Erspüren des Atems, dem bewussten Führen und Abstützen des Klanges im Körper wird große Wichtigkeit beigemessen. Der Atem ist der Schlüssel für den frei schwingenden Ton und Träger der Emotionalität.
Die individuelle Klangfarbe der Stimme, ihr Timbre, enthüllt sich, wenn die Resonanzen im Ansatzrohr, d.h. in der Kehle, im Gesichts- und Kopfbereich, gut ausgenutzt sind. Die Tragfähigkeit der Stimme in allen Lagen, das gesunde Mischen und Ineinandergreifen der Register ist dabei von großer Bedeutung. Die Zunge als großes, klanggebendes Organ wird durch Lockerheit und Beweglichkeit ihren Aufgaben zur Vokalisation und Artikulation gerecht.
Die Summe all dieser Fertigkeiten, die schrittweise erlernt werden, sind später ausschlaggebend dafür, ob eine Stimme groß und resonanzreich klingt. Eine gesunde und gut aufgebaute Stimme kann ihren Ausdruck in verschiedenen Musikformen und –gattungen zur Geltung bringen: Im Lied wird der Sänger zu einem Erzähler, in der Oratorienarie zu einem Vermittler, in der Opernarie zum Darsteller. Es macht Freude, die kostbaren poetischen Schätze, die in einem Gesangsstück enthalten sind, zu heben, nuancenreich ans Licht zu bringen und bereits vor Jahrhunderten Erdachtes immer wieder neu aufleben zu lassen.
Singen macht unendlich viel Spaß. Durch aufmerksames Lauschen und Hören bildet sich ein eigenes System für die innere Ordnung und die ästhetische Qualität der Stimme. In uns angelegte Stimmpotentiale kommen mit der Zeit zur Entfaltung. Die Arbeit des Gesangspädagogen besteht darin, diese Potentiale mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl freizulegen und eine Vision zu schaffen, in welche Richtung sich die Stimme langfristig entwickeln kann.
Unter geschickter und verantwortungsvoller Anleitung finden das Wollen und Können ineinander Entsprechung und werden letztlich zum Gelingen – zu dem, was in der Musikwelt als erstrebenswerter „Flow“ gilt.